Sound of the City!
„Eine gemeinsame Sprache sprechen – die Sprache der Musik“. Unter diesem Motto fand unser DJ-Work-shop im „Club der Polnischen Versager“ statt. DJ Badre aus Marokko und Rocky B aus Israel erarbeiteten mit den Teilnehmenden einen gemeinsamen Track.
Zu Beginn des ersten Treffens fand eine kleine Vorstellungsrunde statt. Alle Teilnehmenden saßen im Kreis. Nacheinander setzte sich jeweils ein Teilnehmer bzw. eine Teilnehmerin in die Mitte des Kreises. Die Gruppe sollte versuchen, die jeweilige Person einzuschätzen. Woher kommt die Person? Ist sie religiös? Was sind ihre Leidenschaften? Ziel dieser Vorstellungsrunde war es, den Teilnehmenden bewusst zu machen, dass jeder Mensch Stereotype und Vorurteile hat. Diese dienen oftmals dazu, die Komplexität der Umwelt zu vereinfachen und sind nicht immer zwingend negativer Natur. Wichtig sei es jedoch, diese „Bilder im Kopf“ zu hinterfragen.
Im Anschluss stellten sich DJ Badre und Rocky B vor: DJ Badre aus Marokko – Rocky B aus Israel. Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Konstellation, auf den zweiten ein eingespieltes Musik- und Workshopteam. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wollten sie im Laufe des Workshops mithilfe des Musikprogramms „Ableton“ einen gemeinsamen, elektronischen Sound entwickeln. Die Teilnehmenden sollten hierzu Musikstücke mitbringen, die ihre Persönlichkeit und Identität widerspiegeln. Sequenzen diese Lieder wurden in den Song integriert.
Zunächst führte Rocky B mit den Teilnehmenden ein kleines Experiment durch: Er spielte der Gruppe unterschiedliche Musikstücke vor – insbesondere aus dem muslimisch geprägten Raum (Ägypten, Irak, Türkei). Die Teilnehmenden sollten notieren, was sie bei den einzelnen Stücken empfinden und welche Assoziationen sie damit haben. Anschließend reflektierten sie in der Gruppe, welche Bilder und Eindrücke die Musik bei ihnen erzeugt hatte. Es stellte sich heraus, dass sie zwar unterschiedliche Bilder mit der Musik verbanden, sich jedoch die Empfindungen zu der Musik (positiv oder negativ, glücklich oder traurig) glichen.
Beim darauffolgenden Treffen erklärten die Workshop-Leiter die Grundlagen von „Ableton“, einem Softwareprogramm zur Erstellung elektronischer Musik. Rocky B berichtete, dass elektronische Musik eigentlich europäischen Ursprungs sei. Deshalb sei auch das Programm „Ableton“ hauptsächlich auf europäische Musik ausgelegt und weniger auf arabische Rhythmen und Melodien. Ziel seiner Arbeit als DJ sei es aber, dieses Musikprogramm zu nutzen, um seine kulturellen Wurzeln mit europäischer Musik zu verbinden und so „etwas Neues“ zu schaffen.
In diesem Zusammenhang erläuterten die Workshop-Leiter den Teilnehmenden auch den Unterschied zwischen einem arabischen und einem europäischen Tonsystem: Ersteres umfasst 24 Töne – zweiteres lediglich 12. Europäische Musik sei zudem eher genormt, beispielsweise finde man Elemente der deutschen Marschmusik selbst im Deutschrock wieder. Die Teilnehmenden hatten anschließend die Möglichkeit, selbst mit dem Programm zu arbeiten, Funktionen auszuprobieren und erste Kompositionen für den gemeinsamen Track zu erproben.
Beim nächsten Treffen diskutierte die Gruppe die Frage, ob Musik eine globale Sprache sei. Die Teilnehmenden stellten fest, dass Musik einerseits die Menschen vereine und ihnen die Möglichkeit biete, miteinander „sprachlos“ zu kommunizieren. Andererseits sei Musik aber auch kulturell verankert und je nach Religion und Kultur sehr unterschiedlich. Rocky B erklärte ihnen, dass beispielsweise fröhliche Musik aus Europa für Menschen aus muslimisch geprägten Ländern oft traurig klingen würde.
Im Verlauf des gesamten Workshops sensibilisierten die Workshop-Leiter die Jugendlichen immer wieder für die Problematik von Begrifflichkeiten und warnten vor Pauschalisierungen. Man könne Menschen nicht als „Araberinnen / Arber“ oder „Musliminnen / Muslime“ kategorisieren. Beispielsweise sind Nordafrikanerinnen / Nordafrikaner keine Araberinnen / Araberinnen, aber dennoch Musliminnen / Muslime. Und nicht alle Araberinnen / Araber sind automatisch Musliminnen / Muslime.
Zu einem Workshop-Treffen hatten die Workshop-Leiter einen befreundeten, professionellen Darbuka-Spieler, Romero, eingeladen. Eine Darbuka ist eine becherförmige Trommel, die aus dem muslimisch geprägten Raum stammt. Romero spielte der Gruppe einige Darbuka-Rhythmen vor und berichtete den Teilnehmenden davon, welche soziale Bedeutung Musik im muslimisch geprägten Raum hat. So erfuhren die Teilnehmenden zu welchen Anlässen Musik gespielt und welche Folkloretänze zu der Darbuka-Musik getanzt werden. Ferner zeigte Romero den Anwesenden, welche unterschiedlichen Rhythmen im Libanon, in Ägypten und im Irak bevorzugt werden.
In einer Sitzung traf sich die Gruppe im Club „Mensch Meier“. DJ Badre und Rocky B legten an diesem Abend ihre Musik auf. Die Teilnehmenden erhielten die Möglichkeit, am Aufbau eines DJ-Sets mitzuwirken. Außerdem konnte die Gruppe einen Blick hinter die „Club-Kulissen“ werfen und die DJs bei ihrer Arbeit begleiten.
Zum letzten Treffen brachten die Teilnehmenden ihre ausgewählten Lieder mit, die sie für den gemeinsamen Song samplen wollten. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer stellte sein mitgebrachtes Lied vor und erzählte, woher das Stück kommt und welche persönliche Bedeutung das Lied für sie/ihn hat. Zusammen mit DJ Badre und Rocky B sampelte die Gruppe ihre mitgebrachten Musikstücke. Eine Teilnehmerin hatte außerdem ihre Ukulele mitgebracht, die für den Song aufgenommen wurde. Entstanden ist ein gemeinsamer Track, der Teile der Identität eines jeden Teilnehmenden in sich vereint.
In dem Workshop haben die Teilnehmenden gelernt, dass Musik sich je nach Kultur stark unterscheiden kann und Empfindungen zu Musik kulturell verwurzelt sind. Die Jugendlichen haben über die Unterschiede – aber auch die Gemeinsamkeiten – in der Musik und den Kulturen gesprochen und wurden an Musik aus muslimisch geprägten Ländern herangeführt. Am Ende des Workshops entstand ein Track, der einen Teil der Identität jedes Teilnehmenden widerspiegelt.
Teilnehmende: In Berlin lebende Jugendliche verschiedener Herkunft im Alter von 16 bis 27 Jahren
Zeitraum: 7 Termine im Zeitraum Oktober 2017, jeweils 3 Stunden
Workshop-Leitung: DJ Badre Lammaghi, DJ Rocky B